An dieser Stelle informiere ich Sie regelmäßig über aktuelle Urteile.


Oberlandesgericht Oldenburg,
Beschluss vom 22.03.2021 - 1Ws 81/21 -


Kein Recht des Richters auf Sicherstellung des Handys des Angeklagten zwecks Feststellung der unerlaubten Aufnahme von Fotos


Maßnahme nicht von sitzungs­polizeilicher Gewalt nach § 176 GVG gedeckt.

Ein Richter ist nicht berechtigt, dass Handy des Angeklagten sicherzustellen, um zu überprüfen, ob damit während der Hauptverhandlung unerlaubt Fotos aufgenommen wurden. Diese Maßnahme ist nicht von der sitzungs­polizeilichen Gewalt nach § 176 GVG gedeckt. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden. 

In dem zugrunde liegenden Fall fand im Februar 2021 gegen einen Angeklagten vor dem Landgericht Osnabrück ein Strafverfahren statt. Nach der Urteilsverkündung wurde der vorsitzende Richter von einem Zuschauer darauf aufmerksam gemacht, dass der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon Aufnahmen im Sitzungssaal gemacht haben soll. Der Vorsitzende ließ daraufhin das Handy des Angeklagten sicherstellen und leitete dieses an die Staatsanwaltschaft zwecks Auswertung weiter. Gegen die Sicherstellung richtete sich die Beschwerde des Angeklagten.

Unzulässige Sicherstellung des Mobiltelefons

Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied, dass die Sicherstellung des Mobiltelefons des Angeklagten unzulässig gewesen sei. Zwar dürfe im Rahmen der sitzungspolizeilichen Anordnung gemäß § 176 GVG einem Störer etwa das Fotografieren untersagt werden und erforderlichenfalls der Fotoapparat bis zum Schluss der Sitzung weggenommen werden. Die Sicherstellung eines Mobiltelefons über das Ende der Hauptverhandlung hinaus stelle demgegenüber keine sitzungspolizeiliche Maßnahme mehr da, da diese nicht dem Zweck diene, einen störungsfreien und gesetzmäßigen Sitzungsablauf zu gewährleisten.



Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.01.2020 - 1 StR 113/19 -


BGH: Strafbarkeit wegen Wuchers aufgrund überhöhter Abrechnung durch Schlüsselnotdienst


Ausbeutung einer Zwangslage bei Wohnungsnutzern

Übersteigt die Abrechnung eines Schlüsselnotdienst den üblichen Marktpreis um mehr als das Doppelte, liegt regelmäßig eine Strafbarkeit wegen Wuchers gemäß § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor. Insofern wird bei den Wohnungsnutzern eine Zwangslage ausgenutzt. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall wurden die Betreiber einer Schlüsseldienstfirma im August 2018 vom Landgericht Kleve unter anderem wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Angeklagten hatten in Telefonbüchern nicht existente Schlüsseldienstfirmen mit örtlichen Anschriften und dazu passenden Telefonnummern eintragen lassen. Wer die Nummern anwählte wurde an ein Callcenter weitergeleitet. Die Callcenter-Mitarbeiter entsendeten die Monteure, die vor Ort ihre Leistungen überteuert abrechneten. Die Abrechnungen überstiegen den üblichen Marktpreis um mehr als das Doppelte. Zudem wurde stets der Anschein gewahrt, dass eine ortsansässige Firma beauftragt wurde. Die Staatsanwaltschaft bemängelte unter anderem, dass die Angeklagten nicht auch wegen Wuchers verurteilt wurden, und legte daher Revision ein.

Strafbarkeit wegen Wuchers

Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagten haben sich ebenfalls wegen Wuchers gemäß § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar gemacht. Zwischen der Werkleistung und der Gegenleistung habe ein auffälliges Missverhältnis gelegen, da der Werklohn den üblichen Marktpreis um mehr als das Doppelte überstieg.

Ausbeutung einer Zwangslage der Wohnungsnutzer

Die Angeklagten haben eine Zwangslage der Wohnungsnutzer ausgebeutet, so der Bundesgerichtshof. Der ausgesperrte Wohnungsnutzer befinde sich nahezu stets in einer misslichen Ausnahmesituation, die ihn wegen der Eilbedürftigkeit an der ihm sonst möglichen Auswahl eines Handwerkers hindert und zumeist den Nächstbesten beauftragen lässt. Mit diesem werde er regelmäßig den Werklohn nicht aushandeln können. Vielmehr sei er dessen Preisbestimmung ausgesetzt. Bereits das Ausgesperrtsein bringe den Wohnungsnutzer in eine Schwächesituation, die der Handwerker ausbeuten kann. Für die Ausbeutung spiele es außerdem keine Rolle, dass die Kunden nicht kopflos gehandelt haben, sondern besonnen auf der Beauftragung eines ortsansässigen Handwerkers bestanden haben.