Maßnahme nicht von sitzungspolizeilicher Gewalt nach § 176 GVG gedeckt.
Ein Richter ist nicht berechtigt, dass Handy des Angeklagten sicherzustellen, um zu überprüfen, ob damit während der Hauptverhandlung unerlaubt Fotos aufgenommen wurden. Diese Maßnahme ist nicht von der sitzungspolizeilichen Gewalt nach § 176 GVG gedeckt. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall fand im Februar 2021 gegen einen Angeklagten vor dem Landgericht Osnabrück ein Strafverfahren statt. Nach der Urteilsverkündung wurde der vorsitzende Richter von einem Zuschauer darauf aufmerksam gemacht, dass der Angeklagte mit seinem Mobiltelefon Aufnahmen im Sitzungssaal gemacht haben soll. Der Vorsitzende ließ daraufhin das Handy des Angeklagten sicherstellen und leitete dieses an die Staatsanwaltschaft zwecks Auswertung weiter. Gegen die Sicherstellung richtete sich die Beschwerde des Angeklagten.
Unzulässige Sicherstellung des Mobiltelefons
Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied, dass die Sicherstellung des Mobiltelefons des Angeklagten unzulässig gewesen sei. Zwar dürfe im Rahmen der sitzungspolizeilichen Anordnung gemäß § 176 GVG einem Störer etwa das Fotografieren untersagt werden und erforderlichenfalls der Fotoapparat bis zum Schluss der Sitzung weggenommen werden. Die Sicherstellung eines Mobiltelefons über das Ende der Hauptverhandlung hinaus stelle demgegenüber keine sitzungspolizeiliche Maßnahme mehr da, da diese nicht dem Zweck diene, einen störungsfreien und gesetzmäßigen Sitzungsablauf zu gewährleisten.
Ausbeutung einer Zwangslage bei Wohnungsnutzern
Übersteigt die Abrechnung eines Schlüsselnotdienst den üblichen Marktpreis um mehr als das Doppelte, liegt regelmäßig eine Strafbarkeit wegen Wuchers gemäß § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor. Insofern wird bei den Wohnungsnutzern eine Zwangslage ausgenutzt. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall wurden die Betreiber einer Schlüsseldienstfirma im August 2018 vom Landgericht Kleve unter anderem wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Angeklagten hatten in Telefonbüchern nicht existente Schlüsseldienstfirmen mit örtlichen Anschriften und dazu passenden Telefonnummern eintragen lassen. Wer die Nummern anwählte wurde an ein Callcenter weitergeleitet. Die Callcenter-Mitarbeiter entsendeten die Monteure, die vor Ort ihre Leistungen überteuert abrechneten. Die Abrechnungen überstiegen den üblichen Marktpreis um mehr als das Doppelte. Zudem wurde stets der Anschein gewahrt, dass eine ortsansässige Firma beauftragt wurde. Die Staatsanwaltschaft bemängelte unter anderem, dass die Angeklagten nicht auch wegen Wuchers verurteilt wurden, und legte daher Revision ein.
Strafbarkeit wegen Wuchers
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Staatsanwaltschaft. Die Angeklagten haben sich ebenfalls wegen Wuchers gemäß § 291 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar gemacht. Zwischen der Werkleistung und der Gegenleistung habe ein auffälliges Missverhältnis gelegen, da der Werklohn den üblichen Marktpreis um mehr als das Doppelte überstieg.
Ausbeutung einer Zwangslage der Wohnungsnutzer
Die Angeklagten haben eine Zwangslage
der Wohnungsnutzer ausgebeutet, so der Bundesgerichtshof. Der
ausgesperrte Wohnungsnutzer befinde sich nahezu stets in einer
misslichen Ausnahmesituation, die
ihn wegen der Eilbedürftigkeit an der ihm sonst möglichen Auswahl eines
Handwerkers hindert und zumeist den Nächstbesten beauftragen lässt. Mit
diesem werde er regelmäßig den Werklohn nicht aushandeln können.
Vielmehr sei er dessen Preisbestimmung ausgesetzt. Bereits das
Ausgesperrtsein bringe den Wohnungsnutzer in eine Schwächesituation, die
der Handwerker ausbeuten kann. Für die Ausbeutung spiele es außerdem
keine Rolle, dass die Kunden nicht kopflos gehandelt haben, sondern
besonnen auf der Beauftragung eines ortsansässigen Handwerkers bestanden
haben.
© 2021 Dr. Achim Lacher